Dein Kind erzählt nix vom Kindergarten oder der Schule? Das könnte der Grund sein
„Nie erzählt er mir was“, beklagte sich meine Mutter, nachdem sie meinen Sohn vom Kindergarten abgeholt hatte, „auf keine meiner Fragen krieg ich eine Antwort“.
So geht es vielen Eltern: Wenn ich beobachte, wie andere Eltern ihre Kinder vom Kindergarten abholen, ist die erste Frage, die sie stellen, meist: „Wie war’s heute?“. Die meisten Kinder antworten einsilbig oder gar nicht. Mit Kinder ins Gespräch zu kommen, ist oft schwierig, und ich weiß aus Erfahrung, wie frustrierend das sein kann. Auch ich habe oft erlebt, dass mein Sohn keine Antworten gab. Das hatte ich von einem Teenager erwartet – aber doch nicht von einem Vierjährigen!
“Wie war’s?” - Warum das die falsche Frage ist
Ich begann meine Interaktionen mit meinem Sohn zu beobachten und stellte fest, wie viele Fragen ich ihm an einem Tag stellte. Manchmal erwartete ich konkrete Antworten: „Hast du dir die Hände gewaschen?“ oder „Willst du zum Spielplatz gehen?“; und manchmal wollte ich einfach nur plaudern: „Wie war der Kindergarten?“ oder „Wie findest du dieses Buch?“.
Wenn mein Sohn meine Frage ignorierte oder mit einem Wort antwortete, stellte ich ihm noch mehr Fragen. Das führte häufig zu einem Frage-und-Antwort-Spiel, das für uns beide unbefriedigend war.
Wenn ich im Gegensatz dazu meinen Mann frage: „Wie war die Arbeit?“, ist das ein Gesprächseinstieg. Wir sprechen dann über Probleme mit Kollegen, Herausforderungen, denen er sich stellen musste, oder andere Dinge, die er an diesem Tag erlebt hat.
Als Erwachsene erkennen wir, wenn Fragen nicht dazu dienen, spezifische Informationen zu bekommen, sondern ein Gespräch zu beginnen. Für kleine Kinder ist das nicht so. Sie müssen solche Signale und Normen noch lernen.
Eine sehr allgemeine Frage wie „Wie war der Kindergarten?“ ist verwirrend. Sie spüren, dass die Eltern irgendwas hören wollen, wissen aber nicht genau was und lassen es deshalb einfach bleiben.
Gespräche zu führen will erlernt sein
Mehr als alles andere wollen Kinder sich wertvoll fühlen. Sie möchten spüren, dass sie eine positive Wirkung auf das Leben ihrer Eltern haben. Im Alltag erleben Kinder jedoch häufig Anweisungen oder Korrekturen durch ihre Bezugspersonen.
Ein Frage-und-Antwort-Dialog fühlt sich da schnell wie ein Verhör an. Aus Sicht der Kinder geht es da weniger darum, ihre eigenen Ideen auszudrücken, sondern mehr darum, das Informationsbedürfnis ihrer Eltern zu befriedigen.
Gespräche zu führen, ist kein angeborener Reflex. Es ist eine Fertigkeit, die erlernt wird. Gespräche sind viel komplexer als einfache Frage-und-Antwort-Dialoge. Gedanken in Worte zu fassen, die Perspektive des anderen zu hören und zu verstehen, sowie den Gesprächsfluss zu steuern – das sind alles komplexe Aufgaben.
Eine einfache Methode mit Kindern ein Gespräch zu beginnen, ist selbst zu erzählen zu beginnen.
Kinder lernen in erster Linie durch Vorbilder und ich habe begonnen, meinem Sohn weniger direkte Fragen zu stellen. Stattdessen erzähle ich von mir, meinen Wahrnehmungen oder Meinungen.
Am Anfang war dann oft Stille, aber ich bemerkte, dass es eine andere Art von Stille war. Eine Stille, in der er über etwas nachdachte. Nicht die Art von Stille, in der ich auf eine Antwort wartete.
Wenn ich meinen Sohn jetzt vom Kindergarten abhole, sprechen wir am Anfang oft gar nicht. Ich merkte, dass mein Sohn etwas Zeit braucht, um mental vom Kindergarten auf die Freizeit umzuschalten.
Irgendwann erzähle ich ihm dann, was ich an diesem Tag erlebt habe, oder wir bemerken Dinge auf dem Heimweg: wie weit die Baustelle vorangeschritten ist, an der wir immer vorbeigehen, oder, dass die Bäckerei die Schaufenster neu dekoriert hat.
Es dauert etwas, aber irgendwann fängt er an, mir von zufälligen Dingen zu erzählen, die im Kindergarten passiert sind. Sehr oft sind es Informationen, nach denen ich nie gefragt hätte: wer sich mit wem gestritten hat, wie sehr er den Pullover seines besten Freundes mochte oder erfundene Geschichten (ich bin mir ziemlich sicher, dass es zum Mittagessen kein Schweinsbraten-Eis gab, aber wer weiß?).
Es ist faszinierend zu sehen, welche Informationen er sich merkt oder offensichtlich irgendeine Bedeutung haben, wenn sie später aus ihm heraussprudeln.
Ich habe den Eindruck, dass wir beide unsere Unterhaltungen wesentlich mehr genießen. Wenn ich meinen Sohn mit Fragen löchere, geht es nicht wirklich um ein Gespräch auf Augenhöhe geht. Aber genau das wünschen sich Kinder: das Gefühl zu bekommen, dass ihre Meinungen wichtig und ihre Ideen interessant für jemanden sind.
Dann sind Kinder wunderbare Gesprächspartner. Neulich fragte er mich beim Abendessen: „Wie war die Arbeit, Mama?“
Verfasst im Frühling 2022
Foto credit: Caroline Hernandez via Unsplash